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Oliver Neusser
Scheitert Cannabis Amnestie an fehlender Digitalisierung?
Droht geplante Cannabis Amestie an fehlender Digitalisierung im Justizwesen zu scheitern?
Die im Cannabisgesetz (CanG) geplante rückwirkende Amnestie stößt auf der Zielgeraden des Gesetzgebungsprozess auf zunehmende Ablehnung. Nach Richterbund aktuell in der Kritik von Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD wie in der Zeit vom 23.01.24 berichtet wurde.
Schon länger kursieren kritische Stimmen insbesondere aus Richtung von SPD-Innenpolitikern zur geplanten Cannabis Entkriminalisierung in Form des CanG. Das Gesetz würde wichtige Ziele aus dem Koalitionsvertrag verfehlen, sei in Sachen Kinder-/Jugendschutz keine erstrebenswerte Verbesserung oder man würde gar den Schwarzmarkt anfachen …
Da ist das im Zeit Interview von Niedersachsens SPD-Justizministerin und schon vom Deutschen Richterbund angesprochene Umsetzungsproblem um die rückwirkende Cannabis Amnestie in den letzten Wochen etwas in den Hintergrund der Debatte gerückt, auch wenn schon länger bekannter Kritikpunkt.
Das Problem an der Tilgung von Eintragungen aus dem Bundeszentralregister (BZRG) ist der für Deutschland leider nicht unbekannte Rückstand bei der Digitalisierung. So sind etwa keine Details im BZRG gespeichert, diese müssen stattdessen in den originalen Fallakten bei den jeweils für das Verfahren zuständigen Staatsanwaltschaften händisch geprüft werden von SachbearbeiterInnen mit juristischer Fachexpertise, wie auch schon im Gesetzentwurf hingewiesen und berücksichtigt wurde.
So müssen über die Jahre Hunderttausende bis Millionen Fallakten in den Tilgungsfähigen Bereich fallen, woraus ein nicht unerheblicher Arbeitsaufwand entsteht.
Dieses eigene Staatsversagen in der innerbehördlichen Infrastruktur im Rahmen der kaum vorankommenden Digitalisierung bei gleichzeitig hohem Bürokratieaufwand, darf jedoch nicht zu Lasten der von der nach heutigem Standpunkt zu Unrecht erfolgten Strafe/Verurteilung betronnen Bürger und Bürgerinnen gehen! Dies als Gegenargument gegen die geplante Cannabis Entkriminalisierung zu nutzen ist wenig charmant, da wie im Blogbeitrag aufgezeigt die Kritik meiner Meinung nach überzogen ist …
Zumal nicht vergessen werden darf, zählt Niedersachsen neben Bayern oder Hamburg zu den deutlichsten Kritikern der nach dem CanG geplanten Entkriminalisierung.
Im Niedersächsischen Koalitionsvertrag aus 2022 wurde unter SPD-Landesregierung und Justizressortleitung vereinbart, man würde sich um eine vorzeitige Einstellung aller Verfahren wegen geringfügigen Mengen durch Überarbeitung entsprechende Erlasse wie hier zu sehen auf Seite 103:
Passiert ist jedoch nichts, sowohl auf Bundesebene sperrt sich die SPD aktuell wie auch schon in Vergangenheit auf Landesebene. Das mal so als wichtige Nebeninformation.
Doch was ist überhaupt im Rahmen der Cannabis Amnestie als Teil der Entkriminalisierung durch das CanG vorgesehen?
Rückwirkende Cannabis Amnestie nach §40-42 Cannabisgesetz (CanG) - was ist vorgesehen?
Tilgungsfähige Eintragungen im Bundeszentralregister (BZRG) nach §40 CanG
In Abs. 1 und 2 ist aufgelistet, welche Straftaten nach CanG aus dem BZRG getilgt werden können. Zusammengefasst gilt, all jenes was nach dem neuen Gesetz zum Umgang mit Cannabis erlaubt ist, kann rückwirkend quasi als Amnestie getilgt werden. Dabei inklusive auch Gesamtstrafen die mehrere solcher nach dem CanG als erlaubt eingestufen Alt-Tatbestände, nach §29 BtMG verurteilt, ebenfalls zur Tilgung vorsieht.
Was ist nicht zur Tilgung aus dem BZRG nach §40 CanG vorgesehen?
Ganz klar ausgeschlossen sind alle Verurteilungen, die Straftaten zusammengesetzt als Gesamtstrafe beinhalteten, die eine nicht dem CanG nach erlaubte Handlung zugrundeliegend hatten. Ob kombiniert BTM-, Eigentums-, Gewaltstraftat etc. eben all jenes was nach gültigem (Straf)Recht weiterhin verboten ist schließt eine Tilgung in Gesamtstrafen kategorisch aus.
Dabei würde in den jeweiligen Fällen im Rahmen der Antragsüberprüfung nach §41 CanG klar sein, dass der Antragsteller dabei nicht weiter kommt und der Antrag auf Tilgung abgelehnt wird.
Dies ist so auch in den offiziellen Erläuterungen des Gesetzentwurfs auf S. 135 von 194 der letzten Version aus November 2023 wie folgt zu lesen:
„Zu Absatz 3
Nicht alle eingetragenen Verurteilungen wegen künftig straffreier Taten sind jedoch auch tilgungsfähig. Es können nur solche Verurteilungen berücksichtigt werden, die ausschließlich eine oder mehrere Handlungen zum Gegenstand hatten, die künftig nicht mehr strafbar sein werden. Sobald jedoch mit der gleichen Verurteilung auch ein Verhalten sanktioniert worden ist, das auch künftig strafbewehrt sein wird, scheidet eine Tilgung von vornherein aus. Hierbei ist unbeachtlich, ob die künftig straffreie Handlung zu der auch weiterhin strafbewehrten Handlung in Tateinheit oder in Tatmehrheit steht. Der Grund hierfür ist, dass die künftig entkriminalisierte Handlung zum Zeitpunkt des Urteils für die Strafzumessung eine Rolle gespielt hat. So ist im Fall der Tatmehrheit für die künftig entkriminalisierte Handlung schließlich eine Einzelstrafe festgesetzt und diese dann zur Bildung einer Gesamtstrafe herangezogen worden. Aber auch im Fall der Tateinheit spielt es im Rahmen der Strafzumessung regelmäßig eine Rolle, dass mehrere Straftatbestände verwirklicht worden sind. Würde man in solchen Konstellationen nun lediglich die künftig straffreie Handlung tilgen, stünde der verbleibende Registerinhalt im Widerspruch zur ursprünglichen richterlichen Urteilsfindung. Letztlich müssten alle betroffenen Strafverfahren erneut vor Gericht verhandelt und angepasste Strafen ausgesprochen werden. Ein solches Vorgehen ist jedoch nicht vor-gesehen und würde für die justizielle Praxis vor dem Hintergrund der großen Zahl an einschlägigen Verfahren einen kaum zu bewältigenden Mehraufwand bedeuten. Aus den vorgenannten Gründen regelt § 40 Absatz 3 daher, dass von vornherein nur Eintragungen tilgungsfähig sind, die auf einer Verurteilung ausschließlich wegen künftig straffreier Handlungen beruhen. In allen anderen Fällen ist eine Tilgung ausgeschlossen. Dies gilt auch bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe, wenn sich eine einbezogene Strafe auf eine Tat bezieht, die auch künftig strafbar ist.“
Mehrbelastung der Gerichte durch Cannabis Amnestie?
Damit erachte ich auch die Einschätzung von Landesjustizministerin Wahlmann als falsch, die Gerichte „müssten ausgesprochene Gesamtstrafen, bei denen auch Verstöße gegen das BtMG einbezogen wurden, nochmals überprüfen und gegebenfalls neu fassen.“
Das ist mit Blick in das CanG so meine ich ausgeschlossen.
Niedersachsens Justizministerin Wahlmann (SPD) befürchtet immense Mehrbelastung bei Staatsanwaltschaften
Die Entkriminalisierung von Cannabis soll Polizei-/Justiz entlasten, dies ist eines von mehreren vereinbarten zentralen Zielen der Bundesregierung hinter dem Cannabisgesetz.
Mit Blick auf das bereits in einem vorangegenangen Blogbeitrag thematisierten BKA-Gutachten zu den Auswirkungen des CanG mit Blick auf Einsparungen/Kosten (Erfüllungsaufwand), wird die Erfüllung dieses Ziels aus Sicht kritischer SPD-Innenpolitiker nicht erreicht.
Niedersachsens Justizministerin Wahlmann reiht sich dabei ein die Kritik aus der SPD am Gesetz von der eigenen Partei, in Rolle des BMG durch Gesundheitsminister Lauterbach geleitet, federführend erarbeitet wurde.
Die Mehrbelastung der Staatsanwaltschaften durch Tilgung von Eintragungen aus dem BZRG im Rahmen der Cannabis Amnestie dürfte in intern laufenden Debatten damit nicht einfacher laufen, beim Versuch die Abweichler aus den eigenen Reihen auf der oft beschworenen Zielgeraden noch einzufangen und für das Gesetzvorhaben zu gewinnen.
Doch kommt es wirklich zu einer solchen Mehrbelastung für die Staatsanwaltschaften?
Der Gesetzgeber berücksichtigt einen damit einhergehenden Prüfungsaufwand und versuchte durch Antragsprüfung seitens Staatsanwaltschaften die damit einhergehende Arbeitsbelastung dezentral auf die jeweils Fallbezogen zuständigen Staatsanwaltschaften aufzuteilen. Da die im Antragsverfahren zu prüfenden Fallakten bei den damals anklagenden Staatsanwaltschaften aufbewahrt werden und damit im Antragsprozess mindestens zur Weiterleitung der Akten(informationen) an die Prüfstelle, falls anders benannt.
Überprüfungsaufwand für Cannabis Amnestie bei Staatsanwaltschaften größer als Entlastung durch CanG wegfallende Verfahren?
Im Gesetzentwurf heißt es, die Überprüfung benötige juristische Fachexpertise, die in den Staatsanwaltschaften ohnehin vorhanden sei.
Auch wenn die Cannabis Amnestie durch Tilgung von Einträgen aus dem BZRG temporär eine neue Arbeitsbelastung darstellt, wird im Gegenzug durch Einführung des CanG jährlich von ~180000 konsumbezogenen Strafaten wegen Cannabis ein Großteil künftig schon gar nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft landen durch erlaubte Mengen für Eigenanbau & Besitz zum Eigenbedarf!
Von dieser Entlastung profitiert letztlich jede Staatsanwaltschaft im Land, wodurch ich die Kritik der Niedersächsischen Justizministerin Wahlmann an dieser Stelle in der Schärfe zurückweisen muss.
Sie spricht von einem kaum zu bewältigenden Mehraufwand für die Justiz, geht es doch um die Bereinigung von Nachteilen eines Cannabisverbots, dass der Gesetzgeber selbst als rückwirkend nicht Zielführend und nicht verhältnismäßig einkassierte. Dass die Stellen, welche für die Verfahren verantwortlich waren, dann die Folgen des UNRECHTS der Cannabisverfolgung auch wieder zur Tilgung sachbearbeiten und zu tragen haben, erscheint mir dabei nicht wirklich unfair oder fehlplatziert.
Dies als notwendiger Teil der Entkriminalisierung und Entstigmatisierung auf allen Ebenen muss kommen.
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